Montag, 1. Oktober 2007
Ideenklau bei der letzten Ruhe
Immer mehr Menschen möchten ihre letzte Ruhe in einem Wald finden und nach ihrem Tode in einem Friedwald begraben werden. Nun findet diese Bestattungsform auch in Asien und Amerika ihre Anhänger.
Immer mehr Menschen möchten nach ihrem Tod in einem Friedwald begraben werden
Die Welt kennt deutsches Bier und deutsche Autos. Deutsche Bestattungskultur hingegen genießt keinen Weltruhm - noch nicht. Mit dem Phänomen Friedwald ändert sich das: Die Idee, Urnen im Wald unter Bäumen beizusetzen, boomt zurzeit in Korea. Dort etabliert gar ein staatliches Programm die letzte Ruhe an der Wurzel - getreu dem Vorbild hierzulande. Und auch in den USA ist ein Deutscher derzeit dabei, den Friedwald zum Exportschlager zu machen. Im Staat Virginia öffnet der erste Wald mit der Möglichkeit zu Bestattung im Oktober - in einem christlichen Freizeitcamp. Der Ursprung des Friedwald-Konzeptes liegt in der Schweiz, in Deutschland fand es begeisterte Nachahmer.

Vom Bodensee bis nach Rügen gibt es inzwischen 19 Friedwälder, den ersten seit Ende 2001 im Reinhardswald bei Kassel. "Seitdem ist es wie eine Lawine", beschreibt Friedwald-Sprecherin Corinna Brod den Ansturm auf die außergewöhnlichen Urnengräber. 6000 Beisetzungen habe es mit Friedwald schon gegeben - und die Liste derer, die sich zu Lebzeiten für ein Grab im Wald entscheiden, wachse. "Zu uns kommen ganze Kegelclubs und Sportvereine", erklärt Brod das Kundeninteresse. Niedersachsen ist mit sieben Orten Deutschlands Friedwald-Hochburg.

Deswegen ist Professor Woo-Hyuk Byun derzeit zwischen Harz und Küste in wissenschaftlicher Mission unterwegs. Er forscht in Seoul am Institut für Lebens- und Umweltwissenschaften der Korea-Universität und hat neuerdings einen Spezialauftrag der Regierung: Byun entwirft Pläne für einen gigantischen Friedwald in Sejong City. Diese Stadt entsteht auf dem Reißbrett, wird Seoul als Regierungssitz ablösen, eine halbe Million Einwohner beherbergen - und 100.000 Grabflächen.

"Es wird eng auf unseren Friedhöfen. Und hässlich sind sie noch dazu", erklärt Byun, als er sich mit Forstamtsleiter Rainer Köpsell trifft, der in Sellhorn den Friedwald Lüneburger Heide betreut. In Korea machten Gräber bereits ein Prozent der Landesfläche aus. Zum Vergleich: Weniger als ein Tausendstel der deutschen Fläche dient als Friedhof, heißt es im Wiesbadener Statistischen Bundesamt. "Uns geht einfach zu viel Land verloren", beschreibt Byun die Situation.

Es ist aber nicht nur die Platznot, aus der die Koreaner eine Tugend machen: "2006 haben sich die ersten Prominenten bei uns mit der Friedwald-Idee bestatten lassen und einen Boom ausgelöst", sagt Byun. Aktuelle Umfragen sagen, dass bereits jeder dritte Koreaner eine "Baumbestattung" wünsche - so heißt das Friedwald-Konzept dort. Es gebe inzwischen dutzende illegale Friedwälder - die Novellierung des koreanischen Bestattungsgesetzes erlaube die letzte Ruhe an der Wurzel offiziell erst von Mai 2008 an. 72 Prozent des koreanischen Waldes befänden sich in Privatbesitz. "Die sind alle verrückt danach, mit Friedwald endlich das große Geschäft zu machen", meint Byun. Es gebe bereits Wartelisten, Angehörige horteten die Urnen zu Hause.

Um den Ansturm zu bewältigen, lernt Professor Byun in Deutschland, wie sich Friedwald und Forstwirtschaft ergänzen. "Steilhänge, junger Baumbestand und schlechte Böden sind unser Problem", sagt Byun. Diese Sorgen kennt in den USA niemand - und auch dort ist die Idee des Friedwalds längst angekommen. Der Deutsche Axel Baudach brachte die Idee über den Atlantik. Er ist der Motor des globalen Friedwald- Exports. 2000 schloss er mit dem Schweizer Friedwald-Begründer Ueli Sauter einen Vertrag, der ihm die Deutschlandvermarktung sicherte.

Inzwischen hat Baudach seine Anteile verkauft und treibt das Geschäft in den USA und in Korea voran. Drei Wälder seien allein rund um Seoul geplant, mit einem Investitionsvolumen von je etwa 20 Millionen Dollar. Im US-Staat Virginia öffnet der erste Friedwald Ende Oktober. Er befindet sich in einem christlichen Freizeitcamp - Ferienlager in der Natur sind in den USA populär - "EcoEternity Forest" heißt Friedwald dort. Das Werbekonzept zielt besonders auf die Naturverbundenheit möglicher Kunden, die mit dem Kauf eines Urnenplatzes ein Stück gesunden Wald für Jahrzehnte sichern helfen.

Dabei hatte den deutschen Friedwald-Motor Axel Baudach beinahe der Mut verlassen, lange bevor sein Konzept zum Exportschlager wurde. Der Kampf um den ersten deutschen Friedwald sei so zäh gewesen, dass er damals fast alles hingeschmissen hätte. Vom Gegenteil überzeugte ihn eine alte Dame aus einem Seniorenheim in Frankfurt am Main, die ihre letzte Ruhe unbedingt unter einem Apfelbaum finden wollte. Sie habe Baudach gesagt: "Zum Friedwald gibt es für mich keine Alternative. Haben Sie schon einmal einen Apfelbaum im Sommer blühen sehen?"

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